Ein Brief zur Moral und dem Bezug zum O.T.O.
Magick without Tears, Kapitel 71
Cara Soror,
Tu was Du willst soll sein das Ganze vom Gesetz.
Der Inhalt Deines Briefes hat mich erschrocken. Ich hatte gehofft dass Du all diese Bewertung von Gedanken für immer hinter Dir gelassen hast. Es ist unrein. Es ist stickig und schwabbelig. Du schreibst über eine Sache, über welche Du unmöglich Informationen besitzt, und was Du sagst ist noch nicht einmal gut geraten: es ist einfach jeseits aller Wahrheit. Auch zeugt es, dass Du darin gescheitert bist, die Natur des O.T.O. zu umfassen. Sein hauptsächlicher 'raison d'etre' (Daseinszweck) ist, abgesehen von sozialen und politischen Zielen, das Lehren und das Nutzen eines wissenschaftlichen Geheimnisses, um bestimmte Ergebnisse zu erreichen. Dieses Geheimnis ist ein wissenschaftliches; es ist von einem sehr simplen automatischen Gefüge vor Betrug oder Missbrauch geschützt. Seine Wächter können nicht mehr „sterben“, als es die Berufssparte der Elektriker könnte.
Es ist wirklich schwer, Deine Briefe zu beantworten. Es ist bei dir wie Kraut und Rüben. Du schreibst über die Verfassung zweier Orden, der A.:A.: und des O.T.O.; zudem ignorierst Du die gedruckten Informationen, welche Du gelesen haben solltest.
Du bist dabei derarts zusammenhangslos geworden, dass ich muss jeden Satz Deines Briefes gesondert beantworten muss!
Du bist eine Studentin der A.:A.: und wirst eine Probekandidatin, sobald du die Prüfungen machst und bestehst. (Dies hauptsächlich, um sicher zu stellen, dass du einen Überblick über die Hauptarme des Gegenstandes hast und um die wichtigeren Zusammenhänge Bescheid weisst.) Desweiteren: bitte lese nochmals 'One star in Sight', und versuche um Gottes Willen, die Informationen, welche darin sehr klar und umfangreich gegeben sind aufzunehmen!
Du sagst Du musst den Pfad allein betreten: ziemlich richtig, wenn auch nur deswegen, weil alles was für dich existiert, notwendigerweise ein Teil von Dir ist. Nun musst Du „zu Anderen“ gehen und ein wahrhaftiger Wichtigtuer werden. Du führst wahllos eigenartige Meinungen auf, ohne das Vermögen zu besitzen ihren Wert einzuschätzen.
Kann ich dir nicht irgendwie dazu bringen den Unterschied zwischen einen aufrichtigen und verlogenen Lehrer zu verstehen? Ich habe es mir immer zu Regel gemacht, niemals eine Äusserung abzugeben, welche ich nicht beweisen kann; wenn eine persönliche Meinung wage, ist diese in ihrer Beziehung immer klar umrissen. (Ich verweise Dich auf Magick S. 368; S. 375, Paragraphen 1 und 2; und S. 415, Paragraph 000 und 00. Wir bestehen von vorne herein auf den individuellen Charakter dieser Arbeit, und auf die Notwendigkeit der Aufrechterhaltung des objektiven und skeptschen Standpunkts. Sei aufs ausserordentlichste vor Zuversicht auf „Autorität“ gewarnt, sogar vor der des Ordens selbst.) Betrachte zum Beispiel meine Anlagen, persönliche, soziale, didaktische,erfahrungstechnisch usw; siehst Du nicht, dass alles was ich tun musste eine heiter-farbene und hongsüsse Lüge heraus zu stellen war und dabei zu vermeiden, zu Vielen auf Füsse zutreten, um Hunderte und Tausende zu haben, die mich verehren würden?
Bitte versuche irgendwie ein Konx om Pax zu bekommen und lies S. XII:
Es ist allzu leicht zu formen einen Kult
Einen Kreuzug herauf zu beschwören mit „Deus Vult“
Ein Quäntchen Bibel, eine Gallone Benzin,
Und ich oder irgend ein Anderer Esel,
Könnte zu unserer mystischen Mondlichtmesse
Diese hohlköpfigen Athener bringen.
Und so weiter.
Aber ich werde nie vergessen, dass ich basierend auf 2000 Jahren arbeite; meine Arbeit wird immer noch stehen, wenn all die wichtigtuerischen Seichtigkeiten und angenehmen Frömmigkeiten verwelkt sind, schillernd-schmeichelnde Seifenblasen wie sie sind.
Seife! Ja, tatsächlich. Ich arbeite mit Gold und Gold muss mit Säure gereinigt werden.
Ich kann wirklich nicht verstehen, wie du so ungenau sein kannst, wo Du den Text doch vor Dir hast! Du schreibst: „Du schreibst das im Januar 1899 etc“, aber ich habe es nicht geschrieben. Captain J.F.C. Fuller hat es geschrieben. Ein kleiner Punkt; aber Du musst lernen vorsichtig um jedes kleinste Detail bedacht zu sein. Dann machst Du weiter mit „nicht nur die unsichtbaren (1) Oberen der A.:A.: … auch die Oberen des Golden Dawn...“ Der Golden Dawn ist lediglich der Name für den Outer Order, siehe Magick S. 230f. Dir wurde niemals beigebracht, gründlich zu lesen. Du schreibst Theoricus wäre der Grad, der dem Neophyten folgt, ist er nicht; zurück zu Magick S 230f.
Du hast nie die Mühe auf Dich genommen mit mir durch Rituale des OTO zu gehen, sonst würdest Du nicht solche Fragen stellen. Der OTO ist eine Ausbildung der freimaurerischen Art; es gibt weder Astralarbeit darin noch Yoga. Es gibt eine gewisse Menge an Qabalah, und dies von grossen Lehrwert. Aber der wirkliche Lebensweg ist das gradweise Fortschreiten zur Enthüllung des Geheimnisses des 9. Grades. Um dieses Geheimnis zu seinem Erfolg zu benutzen braucht es beides: die Meisterschaft von Yoga und von Magick, aber keines von beiden wird im Orden gelehrt. Nun da es erwähnt wird, ist es sehr befremdend. Wie auch immer habe ich dieses System nicht eingeführt; ich nehme an, das Jene die dies taten, wussten worum es für sie ging.
Für mich ist er a) zweckmässig auf vielerlei praktische Art, b) eine Maschinerie um die Anordnungen der unbekannten Oberen der A.:A.: nach aussen zu tragen, c) durch das Geheimnis eine magische Waffe von unermesslicher Macht.
Du „steckst“ nicht „fest“. Du benutzt deinen Astral Körper gut genug: zu gut auf eine bestimmte Art. Aber ich denke Du brauchst noch einige Reisen mit mir. Du solltest an jenen Punkt kommen, wo Visionen als ein Ergebnis einer konkreten Anrufung entstehen.
Bitte vergiss all diese ungenauen Aussagen über die „Klarstellung eines Traumlebens“ (was bedeutet das?) und „Schatten-Denken“ (was bedeutet das?). Diese Spekulationen sind ohne Bedeutung und Bedeutungslosigkeit ist Gift. Gleich im nächsten Absatz verschenkst Du den letzten Rest! „Künstlerisch spricht es mich an – aber nicht spirituell.“ Du wurdest spirituell vergiftet.
Gibt es eine abscheulichere Blasphemie? Was für eine Lüge, so niederträchtig, so falsch, so eklig, was ist das für eine teuflische und tödliche Doktrine? Ich fühle mich verunreinigt, allein durch die Tatsache, dass ich in einer Welt lebe, in der es möglich ist etwas derartiges zu erfahren.
Allein schon beim Gedanken, dass meine geliebte Schwester von derart fauligen Bewohnern des Abyss gequält wird, bin ich den Tränen nahe. Kannst Du darin nicht die Wurzel all deiner vermehrenden Giftpilze des Elends sehen; der Zweifel, der Ängste, der Unenschlossenheit?
Als eine Künstlerin bist Du eine geweihte jungfräuliche Priesterin, das Orakel des Allerhöchsten. Niemand hat das Recht sich dir zu nähern, ausser durch seeligste Ehrfurcht, mit den Armen ausgestreckt, wie um Deine Segnung zu erflehen.
Mit „spirituell“ meinst Du nichts anderes als „gemäss der Unter- und Mittelklassen Moral der Angelsachsen aus der Zeit als Longfellow und Tennyson für Poeten und könglich-akkademische Maler gehalten wurden.“
Es gibt da eine sehr beliebte okkulte Schule, welche zu 99 Prozent ein Fluchtmechanismus ist. Die Angst vor dem Tod ist eines dieser Schreckgespenster; aber viel tiefer ist die grundlegende Angst – die Angst davor allein zu sein, davor Selbst zu sein, vor dem Leben selbst. Einhergehend damit kommen Schuldgefühle.
Das Buch des Gesetzes schneidet direkt an der Wurzel all diesen unheilvollen Gewebes der Falschheit.
Was ist die Bedeutung von Initiation? Es ist der Pfad zur Verwirklichung Deines Selbst als die einzige, höchste, absolute Wahrheit, Schönheit, Reinheit, Vervollkommnung!
Was ist der künstlerische Sinn in Dir? Was sonst, als der Kanal, welcher Dir immer offen ist, durch welchen das Licht frei fließt, um Dich (und die Welt durch Dich) mit Blumen unerschöpflicher flammender Leidenschaft zu entzünden?
Und gegen DIES setzt Du dieses trostlose Phantom der Angst, der Scham, der Gewissensbisse und Zweifel, der inneren Erschütterungen, damit Du nicht auch von der Panik des klaren Erkennens, was der wahre Horror ist nieder gestreckt wirst.
Du sagst „die Elementargeister und die Erzengel halten Wache“ (!) Meine teure teure Schwester, hast Du diese Wesenheiten nur in Dein Leben gebracht, damit sie Dich ausspionieren? Sie sind dafür da, um Dir zu dienen; sie sind Teile Deiner Existenz, zwecks derer es dir ermöglicht wird weiter in eine bestimmte Richtung oder in ein Andere, ohne Einmischung anderer Teilbereiche vor zu dringen, so lange wie Du sie für den einen oder anderen Dienst im grossen Werk benötigst.
Bitte befreie Deinen Geist ein für alle mal von diesem verhängnisvollen und abscheulichsten Wahnsinn, dass da ein Gegensatz zwischen zwei essentiellen Teilen Deiner Natur sein kann.
Mehr kann ich nicht schreiben; es macht mich zu traurig. Ich hoffe es ist nicht nötig. Sei Du selbst, die freudestrahlende Tochter der Muse! Mit dieser Anweisung wende ich mich anderen Aufgaben zu.
Liebe ist das Gesetz, Liebe unter Willen.
Brüderlich Dein für immer,
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(1) Woher weisst Du, dass sie „unsichtbar“ sind? Ich sehe vorher, dass Du früher oder später nach mehr Informationen über diese fragen wirst, daher plane ich einen eigenen Brief um diese Nachfrage zu stillen.